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Die Karpaten – Slowakei und Ukraine

Endlich Hügel! Sagt Uwe und es geht auch schon gleich kräftig in die Beine. Glücklicherweise haben wir in Przemyśl die letzten zweieinhalb Tage fast nichts gemacht. Wir haben uns die Stadt angesehen, aber da wir ständig mit Regenkleidung laufen mussten, haben wir es uns, in unserem echt tollen Apartment, lieber gut gehen lassen. Wir sind im Karpatenvorland und treten fast den ganzen Tag kräftig nach oben. Stolze 1170 Hm hatten wir am Ende des Tages erreicht. Das Wetter macht uns eher Sorgen, zwar regnet es nicht, aber wir sind bei 12.5 Grad, nicht gerade auf der warmen Seite der Erdhalbkugel. Ständig ziehen wir uns an und aus (fast)! Am Berg nach oben, läuft uns der Schweiß in die Augen und bergab benötigen wir eine Windjacke um nicht zu erfrieren. Unser Vorhaben zu Zelten geben wir bei der Aussicht auf nur 7 Grad in der Nacht, schnell auf. Damit wir noch ein wenig Höhenmeter dazu bekommen, liegt das Gästehaus in dem wir übernachten wollen noch auf einem Hügel. Es ist doch manchmal wie verhext.

Das Karpatenvorland erinnert uns an das Alpenvorland und tatsächlich musste sich die Landschaft nun endlich mal ändern. Nach über 2400 Kilometern, relativ flachem Terrain, ist Abwechslung angebracht. Ein paar giftige Anstiege (>12%) haben wir schon bezwingen müssen! Radreisende sind uns die ganzen Tage keine mehr begegnet. Begegnet sind uns aber mehr als jemals zuvor auf unserem Weg, viele ausländische Kennzeichen. Spanier, Tschechen, Österreicher, Deutsche. Wir glauben, dies sind Polen auf Heimaturlaub und kurze Zeit später sprechen wir mit einem Paar aus Tübingen, beide gebürtige Polen. Unsere Vermutung scheint zu stimmen!

26.08.2021 Am Donnerstag haben wir nur 51 km zu fahren, erneut mit über 850 Hm. Wir kommen relativ früh los, bereits um 8:30 Uhr drehen sich die Reifen. Da am Nachmittag erneut starker Regen angesagt ist, ein guter Plan. Obwohl wir eine kleine Nebenstraße fuhren, rauschte heute unglaublich viel Verkehr an uns vorbei. Erschwerend gab es noch einige Baustellen die direkt bergaufwärts führten. Der Untergrund mit unwegsamen Schotter und einspurig, da will sich gerne noch jeder Autofahrer an uns vorbei drängeln um nicht hinter uns im ersten Gang verweilen zu müssen. Dies ist unglaublich anstrengend für uns, da wir mit 100%iger Aufmerksamkeit und vorausschauend fahren müssen. Die Strecke an sich ist ganz schön und verläuft immer am Fluss Solinka, den wir unzählige Male überqueren, entlang. Eine Straße entlang des Flusslauf sieht auf einer Karte immer wie flaches nebenher radeln aus. Aber nicht beim Solinka, der gibt uns schöne Höhenmeter vor! Unverhofft lässt der Verkehr die letzten 20km etwas nach und pünktlich vor dem Regen, kommen wir in unser Unterkunft an. So haben wir uns das nicht vorgestellt. Wir wollen Sonne und Camping!

Den Borusse-Nachkomme haben wir nun auch noch getroffen! Besser spät als nie!

27.08.2021 Es ist Sommer und wir frieren uns den Hintern ab! Aber der Reihe nach! Am Morgen können wir es gemütlich angehen lassen, denn wir wollen uns mit Elke und Thomas Häfner treffen. Beide fahren seit Tagen in einem Abstand von ein bis drei Tagen hinter uns her. Heute morgen haben wir ca 12 km und die Fam. Häfner ca 40 km zu unserem Treffpunkt zu fahren. Allerdings haben Elke und Thomas die etwas anstregernde Distanz zu bewältigen und dies liegt nicht an der Kilometerzahl sondern an stattlichen 800hm welche zwischen uns liegen. In der Wartezeit treffen wir auf eine Familie aus Krakau. Die Familie stürmt aus dem Auto direkt auf uns zu, hat viele Fragen und strahlt uns an als ob wir etwas Besonderes wären. Der älteste Sohn, so erzählte uns der Vater, lernt sogar Deutsch in der Schule. Sprechen mag er es nicht, aber wir haben das Gefühl, dass er uns schon gut versteht. Wir können uns jedoch gut in englisch unterhalten. Ganz zum Schluss,  als Uwe bereits losgefahren ist und ich auch schon fast ausser Hörweite, rief uns der Sohn noch „auf Wiedersehen “ zu.

Byliśmy bardzo szczęśliwi, że was poznaliśmy!  Es hat uns sehr gefreut euch  kennenzulernen ( Google translate)

Wir bereiten schon Kaffee für die Ankunft von Elke und Thomas vor. Gemütlich sitzen wir in einem Unterstand und haben einiges zu erzählen, sind wir doch die gleiche Strecke unter dennoch unterschiedlichen Bedingungen gefahren. Beide haben nur noch zwei Tage Zeit, bis sie am Montag wieder das Homeoffice begrüßt. Für uns geht es weiter zur Slowakei, deren Grenze wir nach ca 10 km und ein paar Höhenmeter erreichen. Die Abfahrt auf slowakischer Seite bietet alles, was die Aufmerksamkeit fordert. Zuerst erfreuen wir uns an neuem Splitasphalt welcher dann übergeht in grob verlegte Bruchsteinplatten, die zum Teil noch nicht mit Sand eingeschwemmt wurden und unsere Reifenbreite genau in die Fugen passen. Danach gab es eine Matsch/Schlammstrecke und damit wir auch alle Beläge hinter uns bringen, kommt noch eine ehemalige Teerstraße deren besten Zeiten auch schon Jahre (50?) hinter ihr liegen. Radfahren ist schön! Das Wetter leider nicht. Bei der Abfahrt mussten wir uns bei nur 10 Grad die Handschuhe anziehen!

Elke und Thomas kurz bevor wir uns verabschiedet haben! Sie fahren nach Hause und wir weiter gen Süden!

Bei unserer Ankunft in Stakčin, unsere erste Stadt in der Slowakei, spricht uns die Besitzerin des Supermarktes mit deutsch an. Das ist schon mal ein netter Willkommensgruß. In unserer Unterkunft findet gerade die Feier zu einer Taufe statt und die Kinder sind ganz fasziniert von uns. Sie wollen unsere Räder in die Lobby schieben und sofort mit uns auf Facebook befreundet sein. Sie sprechen ein hervorragendes Englisch und sind an allem interessiert. Sie wollen wissen ob wir hier auch ganz sicher übernachten und winken uns den ganzen Abend beim Essen zu. Kommen immer wieder an unserem Tisch vorbei und sind einfach zum knuddeln.

New friends!

Wir können es dann doch nicht lassen, zu nah ist die Grenze zur Ukraine und wir müssen das Land sehen! Um an die Grenze zu gelangen, haben wir einen 6 Km langen Hügel zu bewältigen danach soll es flach bleiben. Unvorstellbar denn die Karpaten ragen ziemlich hoch gen Himmel. Ein wenig aufgeregt sind wir wohl, ist es ja nun doch eine „richtige“ EU-Aussengrenze und wir benötigen den Reisepass! Die Slowakei verabschiedet uns mit ein paar wenigen Deutschkenntnissen der Grenzbeamtin welche uns weiter zur ukrainischen Grenze verweist. Wir sollen uns an der wartenden Autoschlange vorbei mogeln und direkt beim nächsten Grenzbeamten melden. Eine Ukrainerin prüft all unsere Unterlagen: Passport, Covid-Impfungen, Auslandskrankenversicherung. Scheint wohl alles in Ordnung zu sein, wir mögen uns beim Zoll melden. Dieser Herr gibt uns schnell sein Kürzel auf einem mitgegeben Schnipsel Papier. Besagten Schnipsel nimmt ca 50 Meter weiter der letzte Grenzkontrollposten, bewaffnet mit einer Kalaschnikov, an sich und wünscht uns eine gute Reise! Wir sind in der Ukraine!

Die Straße nach der Grenze verspricht gleich anstrengend zu werden. Löcher im Asphalt, welche unsere Räder versinken lassen würden. Wir müssen uns deshalb auf den Weg konzentrieren. Glücklicherweise gelangen wir nach ca 10km auf eine Hauptstraße und entgegen der Vorhersage von Elke und Thomas, die Straße sei mit so tiefen spurrinnen versehen, dass man oft die Mitte der Straße nehmen müsste, finden wir eine top asphaltierte Straße vor. Nun können wir uns auf die Ukraine, deren Dörfer und Menschen konzentrieren! Wir sind ein wenig in eine andere Welt versetzt worden. Landschaftlich finden wir links und rechts unseres Weges hohe Berge vor und wir sind froh, dass die Strecke mitten hindurch führt. Die Dörfer sind sehr schlicht und oft auch von ärmlichen Verhältnissen geprägt. Aber natürlich sehr interessant für uns! Solange die Autofahrer Platz haben, lassen sie uns auch unsere Spur. Wenn jedoch Gegenverkehr auftritt, werden auch wir mit Platzmangel bestraft. Wir sind froh, am Wochenende hier zu sein und nicht mitten in der Rushour. Je näher wir der Stadt Чжгород (Uschgorod) kommen, desto schlechter wird allerdings die Straße wieder. Unglaublich, welche Löcher sich auftun! Ja, nun können wir nicht nur, nichts mehr verstehen, wir können was wir eh nicht verstehen auch nicht mehr lesen!

Tesla und Lada! Gegensätzlicher könnte es nicht sein!
Чжгород – Uschgorod
Lost Man waiting!

Was uns immer wieder auffällt in den kleinen Orten sind die Kneipen und immer, auch morgens um zehn, sitzen schon Männer beim Bier. Die sitzen dann natürlich auch am Nachmittag noch dort. Der Alkohol scheint hier vielen zum Verhängnis geworden zu sein, in vielen Orten sehen wir daher etwas orientierungslose Menschen am Straßenrand wanken. Das macht uns schon sehr nachdenklich!

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Flach war gestern, wunderschön ist immer! Chełm – Zamość – Przemyśl

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Vier Tage, vier Länder! Polen 🇵🇱, Slowakei 🇸🇰, Ukraine 🇺🇦 Ungarn 🇹🇯 – und viel erlebt!

  1. Elke und Thomas H.

    Oh je, die kyrillische Schrift ist schon eine besondere Herausforderung. Wir ließen uns vor Jahren in Uschgorod per GPS zu unserem gebuchten Hotel Atlant leiten. Wir standen direkt davor und haben es nicht gefunden, weil wir nichts lesen konnten. Gute Weiterreise nach Ungarn

  2. Martina

    Soooo schön und spannend geschrieben!!!!
    Ich freue mich schon auf die Fortsetzung!

  3. Peter & Karen

    What a great range of experiences. Have fun and stay well. From Yackandandah

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