cycling the world | Der Radreiseblog

Haben wir uns verfahren? Auf dem Weg zum Lake Michigan!

Auf unserem Weg weiter gen Westen, begegnet uns kein einziger Radfahrer. Übersehen könnten wir ihn nicht, es geht seit Tagen fast immer nur geradeaus und wir fahren ordentlich Kilometer runter. Was wir allerdings immer sehen, sind Eichhörnchen, Hasen, Biber und eine hohe Anzahl an toten Rehen neben dem Straßenrand. Da gibt es jetzt einen Vorteil und einen Nachteil beim Radfahren. Man sieht sehr viel Wild, man riecht es aber auch extrem, wenn es ihnen, sagen wir mal „nicht mehr so gut geht“! Manchmal nicht so gut gehen, könnte es dem einen oder anderen Motorradfahrer, welche ohne Helm hier fahren können. Man hat die Helmpflicht gekippt und nun sind viele darauf aus, ihr Lebensende eventuell mit einem Schädelhinrtrauma zu verbringen. Für uns ziemlich unverständlich.

In den sozialen Medien wurden wir oft darauf hingewiesen, dass wir ja die falsche Richtung gewählt haben. Eine Radtour durch die USA sollte wegen der vorherrschenden Windrichtung, immer von West nach Ost gewählt werden. Nun, seit ca. fünf Tagen können wir uns fast nicht beschweren, der Wind meint es ziemlich gut mit uns und das schafft Strecke. Die Umgebung ist mal mehr, mal weniger spannend, aber wir können oft nebeneinander fahren und quatschen. Zudem gibt es keine nennenswert Anstiege, die uns die Luft zum sprechen nehmen würden. Ein Schild am Straßenrand nimmt uns sofort in Beschlag. Da behauptet doch jemand, im nächsten Ort würde es das Bavaria Inn mit den World Most Famous Chicken Dinner geben! Also das ist ja mal eine Ansage, die gecheckt werden muss. Wir kommen in Frankenmuth an und sehen bereits von weitem, einen riesigen komplex im bayerischen Stil. Etwas abseits daneben, ein großes Bierzelt. Beim Näherkommen, sind wir uns nicht so sicher, ob wir uns nun in Michigan oder doch in Bayern befinden. Und es ist nicht nur der Hotelkomplex, die ganze Stadt ist bayerisch angehaucht. Im Schaufenster des Souvenirladen allerdings, wird man schnell wieder auf dem amerikanischen Boden gebracht, obwohl aus dem Lautsprechern Volksmusik dröhnt.

Das Gebiet wurde im Jahre 1845 von Immigranten aus Franken besiedelt, die meist gebürtige Roßtaler waren. Daher erklärt sich auch der Name des Ortes. Mit dem Zusatz Muth ist tatsächlich der „Mut“ gemeint, nur die Schreibweise ist der Zeit entsprechend anders. Auch das Umland wurde von Franken besiedelt, was sich ebenfalls in der Namensgebung niederschlägt (Frankenlust, Frankentrost und Frankenhilf). Gegründet wurde die Stadt von Friedrich August Crämer aus Kleinlangheim. Reisen bildet, wie wir schon oft erfahren durften!

Selbst im Wappen der Polizei ist ein Teil der bayrischen Flagge enthalten!

Nachdem wir das touristische „Frankenland“ verlassen hatten, machen wir uns auf dem Weg nach Saginaw. Bereits am Ortsrand bemerken wir, dass die Stadt nicht mehr vom Reichtum alter Zeit leben kann. Es gibt viele Straßenzüge, die ihre gute Zeit bereits weit hinter sich gelassen haben. Am Abend erfahren wir, von Dale und Ruth, vom Niedergang der Autoindustrie, große GM Fabriken wurden geschlossen. Das Paar beherbergt uns über Warmshowers und wir sind beeindruckt, dass sie dies mit über 80 Jahren noch gerne machen. Chapeau! Beide sind weit gereist und haben selbst viele Geschichten zu erzählen. Ein vergnüglich und unterhaltsamer Abend.

Ruth und Dale

Wie unterschiedlich die Städte sein können, zeigt sich ca 40 km weiter. Wir kommen nach Midland, Hauptsitz der Firma Dow Chemical, welcher nach BASF, der zweitgrößte Chemiekonzern ist. Das Stadtbild sofort ein komplett anderes. Tolle Parkanlagen, klasse Radweg und gepflegte Wohngegenden. Tja so steht und fällt eine Umgebung mit der vorhandenen Wirtschaftskraft. Am Samstag, 7. Mai wollen wir nun das erste Mal Zelten. Das Wetter erlaubt uns sogar bei 26°C im Shirt und kurzer Hose zu radeln. Wild zu zelten ist fast unmöglich, alles ist eingezäunt und mit unmengen von Schildern als Privat, kein Zutritt gekennzeichnet, deshalb sind wir im Sunrise Lake State Forest Campgrond. In den Nationalparks steht zumeist am Eingang eine Box in welcher man die Anmeldeformulare findet. Ausfüllen, 20$ in einen Umschlag und in die Briefbox werfen, angemeldet! Ein Plumsklo, eine Pumpe für Wasser fertig ist die Versorgung. Die Plätze sind einzelne Buchten die jeweils mit einem Tisch mit Bank und einer Feuerstelle ausgerüstet sind. Holz findet man genug in der Umgebung. Unser Zelt will nicht so wie wir wollen, denn wir bekommen es nicht richtig aufgestellt und so dauert es ein wenig, bis wir es gemeistert haben. Irgendwie scheint der Stoff eingelaufen zu sein. Keine Anhnung weshalb, wir ziehen, schieben, ziehen, schieben und mit geballter Kraft sitzen die Stangen dann doch irgendwann. Nun nur noch das Lagerfeuer zum Brennen bringen und los geht’s mit Gemütlichkeit. So unser Plan! Das Holz ist größtenteils feucht und deshalb sind wir den ganzen Abend damit beschäftigt es am brennen zu halten. Sehr gemütlich! Die Umgebung war heute toll. Hügeliges Terrain, viel Wald, viele Farmen, ein kurzweiliger Tag. Wir sehen einige Farmen, welche von Amish People bewirtschaftet werden und Uwe hatte gestern bereits ein kurzes Gespräch mit einem Bauern am Feldrand. Wir wollten ja schon die ganze Zeit wissen, ob es stimmt, dass die Kinder bis sie zur Schule gehen, zuhause deutsch sprechen. Er bejahte dies, nannte es aber einen deutschen Dialekt. Wir nehmen an, dass wir die Sprache evtl. nicht verstehen würden. Wie gerne würden wir mehr über Ihre Lebensweise wissen! Öfters sehen wir Pferdegespanne auf den Feldern pflügen und Jungs bei der Holzarbeit.

Interview mit Amish-Farmer am brennenden Feld
Sunrise Lake Campingplatz

Die erste Nacht im Zelt ist bitterkalt und die Schlafsäcke sind bis über unsere Köpfe zugezogen, denn wir haben 2°C und frieren. Uwe rüstet in der Nacht zwei Mal auf und schläft langärmlig. Nachts hörte ich zum ersten Mal Kojoten heulen oder lachen, ich weiß nicht, wie man es beschreiben sollte. Ein wenig gruselig! Am nächsten Morgen haben wir es nicht eilig und so bleiben wir liegen, bis die ersten Sonnenstrahlen das Zelt erwärmen. Sobald die Sonne da ist, ist die Welt wieder wunderbar! Der Muttertag-Sonntag wird ein kurzer „Arbeitstag “ es sind nur 48 km zum nächsten Campingplatz Old Grade, der noch schöner gelegen ist. Direkt am Mannistee River haben wir eine große Fläche nur für uns. Der Fluss ist zwar kalt, wir springen aber trotzdem rein um uns zu „duschen“. Wobei springen in diesem Fall eher bedeutet, wir stellen uns beide kurz rein. Da wir die einzigen Camper sind, können wir ganz ungezwungen sein. Die Ausstattung des Platzes ist wie gestern auch, nur diesmal liegt schon gehacktes Holz für uns bereit. Läuft! Wir sind bereits vor 16:00 Uhr hier und halten einen kleinen Plausch mit dem zuständigen Ranger bevor wir vom Kaffee zu Bier wechseln. Das Feuer brennt und Essen ist auch schnell zubereitet. Immer wieder kommen ein paar neugierige Fischer vorbei um uns zu begrüßen und „auszufragen“. Die Nacht ist nicht ganz so kalt wie die Vorherige, aber wir hatten gleich vorbeugend aufgerüstet.

Old Grade Campingplatz

Die letzten Radtage haben uns super gut gefallen. Wälder, Seen, kleine Dörfer. Es gibt immer was zu sehen. In den Wäldern sieht man oft Mobilheime stehen. Manche sehr nett und gemütlich, viele ziemlich von Armut geprägt oder ganz verlassen. Sie stehen dann und verrotten irgendwann. Dennoch hat alles seine Faszination des uns Unbekannten.

Am Montag, 10. Mai kommen wir zu unserem zweiten Etappenziel dem Lake Michigan. Hier bleiben wir bis Donnerstag und nehmen dann die Fähre über den See nach Wisconsin.

Lake Michigan
Farm Land!
Irgendwo im Nirgendwo gibt es immer noch ein Bier!

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Radfahrer verursachen Vollsperrung an der US-Grenze!

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🇺🇸 Wisconsin

  1. Thomas

    Ach wie wunderbar ihr das immer alles beschreibt. Ich wollte mit Uli auch mal die tour in die “ richtige “ Windrichtung machen, aber auf dem Motorrad. Hat bisher noch nicht geklappt. Aber vielleicht bald, obwohl eure Beschreibungen so plastisch sind, dass man schon das Gefühl selbst dabei gewesen zu sein. Enjoy to carry on

    • Selber fahren ist immer besser! 😀. Solche Dinge sollte man nicht immer aufschieben denn wer weiß schon was noch so alles kommt. Also schnapp dir Uli und los geht’s 🏍🏍. Davor noch ein paar Tage Seattle und Vancouver perfekte Tour würde ich sagen. 👍

  2. Elke und Thomas H.

    Was es nicht alles gibt im „Land der unbegrenzten Möglichkeiten“: Oberbayernhäuser, die mit den traditionellen Häusern in der Herkunftsregion der Siedler von Frankenmuth so wenig Ähnlichkeit haben wie ein norddeutsches Reetdachhaus.

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