Den Abend verbringen wir gemütlich vor unserem Zelt bei Abendessen und einem lecker Rotwein. Kathy war so nett und hat die Nachbarn über unsere Anwesenheit informiert, somit hat sich keiner über unser Zeltlager mitten im Ort gewundert. Noch sind wir vergnügt, denn laut Wettervorhersage sollte ein Thunderstorm um ca. 22:00 Uhr über uns hinwegziehen. Vielleicht werden wir ja verschont, normalerweise haben wir immer viel Glück in solchen Dingen. Wir hatten keinerlei Vorstellungen, was ein Thunderstorm bedeuten kann!
Um Mitternacht war der Level unseres Glückskontingents auf unter Null geschrumpft. Es blitzte und donnerte im Dauerzustand um uns herum. Immer noch weit entfernt, aber zunehmend beängstigend näher kommend. Um ca 2:00 Uhr saßen wir mitten im Auge des Thunderstorms. Wir haben beide noch nie einen solchen Blitz und Donnermarathon erlebt, haben noch nie unser Zelt mit beiden Händen festhalten müssen, damit wir nicht mit dem Sturm davon getragen werden. Der Himmel schüttete Unmengen von Wasser auf uns nieder und nur mit ein wenig Glück blieben wir fast trocken. Wenn wir nicht das Zelt hielten, haben wir uns an den Händen gehalten, weil wir ob der Donnereinschläge vor Schreck fast das Atmen vergessen hatten. Und leider hat uns Kathy nicht, wie vorher angekündigt, in ihr Haus geholt. Allerdings hätten wir auch nicht gewusst, ob dann am nächsten Morgen unser Zelt noch vor Ort gewesen wäre. Zwei Stunden sitzen wir und hoffen, dass es endlich vorbei ist. Was für eine angstvolle Situation! Minütlich checken wir die Wettervorhersage um endlich aus dieser misslichen Lage befreit zu werden und um 3:30 scheint es zumindest etwas besser zu werden. Immer noch ist der Himmel voller Blitze aber der Donner lässt länger auf sich warten. Laut Vorhersage soll erneut ein etwas kleinerer Thunderstorm um 5:00 Uhr über uns hinweg fegen. Als die Anspannung ein wenig nach lässt, nicken wir nochmals ein wenig ein bis uns der Regen wieder aufweckt, dieses Mal weniger heftig als zuvor. Wir sind froh, als wir das Zelt am nächsten Morgen abbauen können und fliehen, nachdem wir uns von Kathy verabschiedet hatten, in die nahe gelegene Tankstelle zum Kaffee und einem kleinen Snack. Was für eine Nacht, die wir so auf keinen Fall je wieder erleben wollen. Zu allem Negativen, gibt es wie immer zu jeder Situation einen positiven Faktor: die Räder sind wieder sauber! Juhuuuuu😉
Als wir aufbrechen, fahren wir ein wenig der Regenfront vorraus. Es ist immer noch windig, aber wir genießen Rückenwind und später sogar Sonne. Entschädigung für die letzte Nacht!
In Fergus Falls hat uns Jake zum Übernachten eingeladen. Wir sind etwas früh und finden in einem Park ein sonniges Plätzchen um unser komplett nasses Zelt zu trocknen. Davor liegen unsere Schlafsäcke und sonstige Sachen, die sich feucht anfühlten. Die Wetterlage ständig im Blick, der nächste Thunderstorm ist vorhergesagt und wir kommen auch pünktlich bei Jake und seiner Familie an, bevor erneut die Welt untergeht. Die Sirenen heulen in der Stadt und Jake erklärt uns, dies sei die Warnung für einen Tornado und man sollte in den Keller gehen. Er bleibt allerdings ruhig und wir mit ihm. Was sind wir froh, bei ihm sein zu können. Wir genießen den Abend mit Jake und Ruth sehr, lachen viel und haben Spaß. Irgendwie ist es der richtige Zeitpunkt um auch über Politik zu sprechen, was wir normalerweise vermeiden. Allerdings hat uns vor einigen Tagen eine gehisste Flagge auf welcher stand „f…y…Biden and f… all of them who voted for him“ und zwei angedeutete Grabsteine mit R.I.P Biden und R.I.P Harris vor einem Anwesen schon sehr schockiert. Jeder darf und sollte natürlich Demokratie leben, wie er möchte, aber für uns waren vor allen die Grabsteine heftig anzusehen. Darüber mal zu sprechen, war für uns schon wichtig.
Jake begleitet uns am Dienstag, 31. Mai noch aus der Stadt. Es fegt ein kräftiger Sturm von vorne oder seitwärts. Puh, das wird ein harter Tag, obwohl wir nur 50 km Strecke zu fahren haben. Die Landschaft bietet uns wenig Windschutz da nur Ackerflächen, wenig Wald, leicht hügelige Nebenstraßen und wenig Ortschaften um uns zu finden sind. Mit Durchhaltevermögen und einer Einkehr in einem Saloon, um einen heißen Kaffee zu trinken, schaffen wir die Strecke mit einer durchschnittlich Geschwindigkeit von nur 12,7 km/h. Normalerweise schaffen wir so ca 17-18km/h. Es war einer der härteren Tage, aber mit sauberen Rädern 🙂
Als kleine Leseempfehlung:
Der ehemalige SPIEGEL Journalisten Claas Relotius hat 2017 Fergus Falls besucht und eine Reportage im SPIEGEL über die Stadt veröffentlicht. Der Text trug die Überschrift „In einer kleinen Stadt“, es sollte der Versuch sein, Trumps Wähler zu beschreiben und zu verstehen. Wie inzwischen bekannt ist, hat sich der Autor die Geschehnisse und die Figuren in großen Teilen ausgedacht – wie in fast allen seinen Texten. (Der Spiegel) Unser Gastgeber Jake ist eine im folgenden Interview erwähnte Person.
https://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/fall-claas-relotius-fergus-falls-bewohner-im-interview-a-1245033.html
Eine fröhliche Restwoche!
julekers
Ihr seid meine wahren Helden
glorypedalling.com
An dem Thunderstorm-Abend sahen wir wenig wie Helden aus 🤣🤣. Aber lieben Dank fürs Kompliment und liebe Grüße!
brittakoe
Das hört sich gruslig an, was für eine Nacht. Da bekomme ich schon Angst beim Lesen. Gut, dass ihr das heil überstanden habt.
Liebe Grüße und passt auf euch auf.
Britta